Aufruf zur aktuellen Asylpolitik
- ramonabeck6
- 18. Feb.
- 3 Min. Lesezeit
Für einen menschenwürdigen Umgang mit Asylsuchenden und Geflüchteten
Ein Aufruf aus dem Haus der Nachhaltigkeit und dem Psychosozialen Zentrum für traumatisierte Geflüchtete Neu-Ulm
Durch die entsetzlichen Verbrechen in Magdeburg, Aschaffenburg und München sind Asylsuchende und Migrant*innen zum Hauptthema im Bundestagswahlkampf geworden. Parteien überbieten sich zu nehmend in Forderungen, die durch weitere Verschärfungen der Asylgesetzgebung und andere Maßnahmen darauf zielen, Asylsuchende abzuschrecken und ihnen das Leben schwer zu machen. In der Öffentlichkeit ist ein abweisendes Klima gegenüber Migrant*innen entstanden.
Das Haus der Nachhaltigkeit in Ulm, Neu-Ulm & Region e.V. (HdN) und das Psychosoziale Zentrum Neu Ulm e.V. (psz) arbeiten zusammen unter einem Dach. Die Arbeit mit geflüchteten Menschen bringt uns ihre Geschichten und ihre Lebenssituation nahe. Deshalb möchten wir zu der gegenwärtigen Situation öffentlich Stellung beziehen.
Wir stellen fest:
Die Würde aller Menschen ist unantastbar
Wir halten es für unerträglich, wie Menschen und ihre Schicksale gegenwärtig für machtpolitische Ziele missbraucht werden. Die Würde des Menschen ist unantastbar, heißt es im Grundgesetz, und das gilt für alle Menschen, auch für die, die vor Gewalt, Krieg, Verfolgung und Armut in Deutschland Schutz suchen. Ein Klima der Angst erschwert Integration und Therapie Wir halten es für unmenschlich, ganze Bevölkerungsgruppen pauschal für die Verbrechen Einzelner verantwortlich zu machen, wie das zuletzt nach München und Aschaffenburg geschehen ist. Unzählige Migrant*innen bemühen sich täglich, Teil unserer Gesellschaft zu werden, auch wenn ihnen das nicht leicht gemacht wird. Durch die gesetzlichen Verschärfungen in der Asyl- und Migrationspolitik sowie durch die aufgeheizten öffentlichen Debatten und die daraus resultierende Ablehnung entwickelt sich eine Atmosphäre der Angst unter den Geflüchteten. Im psz erleben wir dies hautnah. Geflüchtete Menschen werden dadurch zusätzlich psychisch belastet. Der große Wunsch nach Sicherheit und Zugehörigkeit kollidiert mit dem Eindruck, in Deutschland nicht (mehr) willkommen zu sein. Dies erschwert die Arbeit in Beratung und Therapie.
Integration und Therapie statt Ausgrenzung
Viele Geflüchtete haben Schlimmes erlebt in ihren Herkunftsländern und auf ihrer Flucht. Studien zufolge leiden etwa 30% der Asylsuchenden an psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder posttraumatischen Belastungsstörungen. Nur etwa 3% können zurzeit die nötige Unterstützung erhalten. Die Haushaltsmittel für psychosoziale Arbeit wurden um knapp die Hälfte gekürzt. Stattdessen werden immer mehr Gelder in Deals mit Drittstaaten, Grenzkontrollen und Abschiebezentren gesteckt.
Verschärfte Asylgesetze sind ineffektiv
Allein in den Jahren 2015-2020 wurden auf Bundesebene 77 Gesetzesänderungen im Asylrecht vorgenommen, die meisten davon Verschärfungen. Auch jetzt werden weitere Verschärfungen gefordert, ohne dass absehbar ist, dass diese Maßnahmen Menschen davon abhalten können, nach Deutschland zu kommen.
Wir fordern:
eine Versachlichung der politischen Diskussion. Statt mit diffusen Ängsten von Menschen zu spielen, sollten Politiker konstruktiv auf der Basis von Zahlen, Analysen und Erfolgschancen die von ihnen vorgeschlagenen Maßnahmen diskutieren.
die Bereitstellung von mehr Haushaltsmitteln für integrative Maßnahmen, insbesondere auch für die therapeutische Unterstützung von traumatisierten und psychisch kranken Geflüchteten. Langfristig hat nur das Erfolg, was den Menschen hilft, sich hier zurecht zu finden und ihnen die Angst in der Fremde nimmt.
dass Politiker*innen und Medien die Situation geflüchteter Menschen differenziert wahrnehmen und darstellen, statt pauschal zu urteilen. Eine differenzierte Wahrnehmung der Lage Geflüchteter ist vor allem dadurch möglich, dass man mit ihnen und nicht nur über sie spricht oder schreibt.
Deshalb verfolgt das psz einen ganzheitlichen Ansatz, der nicht nur Therapie, sondern Alltagsbewältigung, Spracherwerb und Unterstützung bei der Aufnahme einer qualifizierten Arbeit oder Ausbildung einschließt. Die Erfahrung zeigt, dass auf diese Weise eine langfristige psychische Stabilisierung Geflüchteter erreicht werden kann. Aber diese Arbeit muss politisch gewollt und finanziell ausreichend gefördert werden.
Die Gesellschaft, die wir wollen, ist vielfältig, inklusiv und offen.
Wir sind davon überzeugt, dass eine zukunftsfähige Gesellschaft vielfältig, inklusiv und offen sein muss. Die Begegnung mit Menschen verschiedener Herkunft kann als Herausforderung und als Chance empfunden werden. Damit sie zur Chance für unsere Gesellschaft wird, sind wir alle, die zu dieser Gesellschaft gehören, aufgefordert, aktiv dafür eintreten und uns zu engagieren.
Neu-Ulm, im Februar 2025
Für das psz: Simone Lehner, für das HdN: Christoph Reichel
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